Donnerstag, 5. Januar 2012

Wulff und die Win-Win-Situation der Bild


Im gestrigen Interview mit ARD und ZDF hat sich Bundespräsident Christian Wulff für seinen Anruf bei Kai Diekmann entschuldigt und behauptet, er habe die Berichterstattung über seinen Hauskredit nicht verhindern wollen, sondern bloß um Aufschub gebeten. Wulff habe sich selbst noch dazu äußern wollen, bevor der Artikel ohne seine Stellungnahme erscheint. Außerdem habe er bereits persönlich bei Diekmann um Verzeihung gebeten und dieser habe angenommen.

Die Bild widerspricht Wulffs Darstellung.

Heute bittet die Bildzeitung per offenem Brief den Bundespräsidenten um seine Zustimmung, das Mailbox-Protokoll zu veröffentlichen. Wulff lehnt ab.

Ich neige nicht zu Verschwörungstheorien, aber ich traue der Bildzeitung einiges an fieser Berechnung zu.
Ich halte es für wahrscheinlich, daß auf der Mailbox-Aufnahme noch andere Sachen zur Sprache gekommen sind. Alle Welt munkelt ja über eine irgendwie geheimnisvolle Vergangenheit von Wulffs Ehefrau und daß die Bildzeitung diese Geschichte/dieses Gerücht in petto habe – für alle Fälle. Die Aufnahme soll circa sechs Minuten lang sein. Es kann also sein, daß Wulff sich dort auch zu diesem Thema geäußert hat, und sei es bloß in einem Nebensatz.

Nun ist die Bildzeitung in einer Win-Win-Situation:
Lehnt Wulff die Veröffentlichung ab, ist er der Depp der Geschichte, wirkt unglaubwürdig (Stichwort: mangelnde Transparenz) und die Bildzeitung kann sich als tapferer Krieger der Aufklärung feiern, die nun leider, leider die Mailboxaffaire nicht zu Ende erhellen darf. Wulffs Stern sinkt weiter und die Affaire wird am köcheln gehalten. Und das bedeutet: Auflage für die Bild.
Stimmt Wulff der Veröffentlichung zu, ist damit auch gleichzeitig die Schmutzgeschichte um Bettina Wulff im Umlauf und die Bild kann das Thema aufziehen – ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, sie habe den Dreck selbst in die Welt gesetzt: Es war ja dann Herr Wulff selbst. Ich sehe schon die scheinheilige Bild-Schlagzeile: »Bettina Wulff – Sind die Gerüchte wahr?«. Die Affaire bekommt einen neuen, schmutzigen Dreh. Und das bedeutet: Auflage für die Bild.

Die Bild konnte also bloß gewinnen und hat vermutlich eh mit der Ablehnung Wulffs gerechnet.

Und zur Frage, wem soll ich nun glauben? Wulff oder Bild? Wulff hat noch nie (nachweislich) gelogen. Bei der Bild sieht das anders aus…

PS: Wie kam die Info über Wulffs Mailboxansage und Auszüge daraus in die Redaktionen von FAS und Süddeutscher? Das kann Diekmann nur selbst gewesen sein. Warum lanciert er das zuerst in anderen Medien? Warum nicht in seiner eigenen Zeitung? Und warum erst fast vier Wochen nach dem Anruf? All das deutet darauf hin, daß die Bild den Skandal warm halten will.
Salami-Taktik, anyone?

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