Samstag, 5. März 2011

Moral und Politik




Fragen ohne Antworten

Dem Ausspruch Karl Valentins folgend "Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen!" möchte also auch ich meinen Sermon zur Causa Guttenberg zum besten geben.
Was ist geschehen? Guttenberg hat in seiner Doktorarbeit in unzulässiger Weise geschummelt, ja betrogen - das ist offensichtlich und bewiesen.
Er gab sein Amt als Verteidigungsminister auf.
Hier stellt sich die Frage: Warum? War seine Doktorarbeit der Qualifikationsnachweis für das Amt des Verteidigungsministers? Sicher nein. Warum also tritt ein Minister zurück, wenn er sich innerhalb seines Amtes und während seiner Amtsperiode nichts zuschulden hat kommen lassen (wir lassen beiseite, ob sein Krisenmanagement der Gorch-Fock-Affaire glücklich war, oder nicht)?
Der Begriff, um den die Diskussion zirkelt, heißt: Glaubwürdigkeit. 
Ein Aspekt des Komplexes Glaubwürdigkeit interessiert mich hier:  Wir (und damit meine ich ganz verallgemeinernd: die Wähler) erwarten von einem Politiker, daß er eine Vorbildfunktion wahrnimmt. Ist eine solche Erwartung zulässig? 
In einer medial breit zur Kenntnis genommenen Aktion haben Wissenschaftler und Doktoranden ihrer Empörung Raum gegeben mit der Grundaussage, die Wissenschaft leide darunter, wenn jemand, der seinen Doktortitel nicht ehrlich erworben hat, Minister bleibe. „Wie soll ich meinen Studenten erklären, daß sie bei Hausarbeiten nicht kopieren dürfen, wenn ein Guttenberg Minister ist?“, so ließen verschiedene Professoren sinngemäß verlauten. Und in einer Straßenumfrage für den BR fragte eine Frau die Nation: „Wie kann ich meinen Kindern jetzt noch erklären, daß sie ehrlich sein müssen?“ Kann man das denn nicht mehr erklären? Steht und fällt Ehrlichkeit als Wert mit der Ehrlichkeit eines Politikers? Hätte es, wenn Guttenberg Minister geblieben wäre, für den Professor und für die Mutter keine Argumente mehr gegeben?
Was dahinter unausgesprochen steht, ist das Bedürfnis nach moralischer Führung. Ein Politiker wird nicht nur als Organisator wahrgenommen, sondern als Leitfigur. In der hochkomplexen politischen Arena mit ständig wachsenden Interdependenzen, die Sachzwänge hervorbringen, schrumpft der Spielraum für politische Entscheidungen. Ein Politiker ist in seiner alltäglichen Arbeit mehr Organisator vorhandener Probleme denn Entscheidungsträger, mehr Re-Akteur denn Akteur. Dies steht seltsam unverbunden neben der Erwartung, moralisch zu führen. Im Kern: Brauchen wir den Berufspolitiker oder den moralischen Führer?  Zugespitzt: Ist ein Minister mit sauberer Doktorarbeit ein besserer Organisator für den Umbau der Bundeswehr? Ist ein „einwandfreier“ Verteidigungsminister mehr wert als eine gelungene Bundeswehrreform?
Ist in einer längst pluralistischen Gesellschaft die moralische Erwartungshaltung gegenüber Politikern überhaupt noch zeitgemäß? Oder ist es gerade andersherum: Wächst die moralische Anspruchshaltung, eben weil Politik immer mehr von Sachzwängen bestimmt scheint?   

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